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24. Februar 2009

Die Open Access Debatte zwischen Polemik und Sachlichkeit

Über die Diskussion rund um Open Access habe ich in diesem Blog schon verschiedentlich berichtet (vgl. Einträge mit dem Tag 'Open Access').

Bei FAZ.NET fand kürzlich hierzu ein weiterer Schlagabtausch statt.
Am 11. Feb. 2009 wurde zunächst der Beitrag von
Roland Reuß, Professor für Germanistik in Heidelberg, veröffentlicht: "Forschungspublikationen: Eine heimliche technokratische Machtergreifung" (Artikel nicht mehr Online verfügbar). Die markige Überschrift bestimmt den Tenor des Beitrags. Der Autor lässt kein gutes Haar an Open Access, Wissenschaftsrat, DFG und die Kultusministerkonferenz in Deutschland. Auch die Praxis an der Universität Konstanz und die Universität Zürich mit den Open Access Repository ZORA wird in die pauschalierende Kritik einbezogen. Die Sprache ist deutlich - und kaum einer objektiven Diskussion dienend: Er spricht von "ideologischen Forderungen der Open-Access-Aktivisten" oder von einem "staatsmonopolistischen Verwertungskreislauf", den die DFG in Gang bringen will. Im Fall ZORA der Uni Zürich ist die Rede von einer "autoritären Diktion, die an einen Gestellungsbefehl gemahnt".

Recht hat Reu
ß mit der Mahnung, Open Access nicht unkritisch einfach so zu akzeptieren und anzuwenden:
"Was für die Einführung einer gentechnischen Pflanze in freiem Feld Standard ist, muss erst recht für so etwas wie Open Access und seine Nebenwirkungen gelten."
Mit dem gleich anschliessenden Satz hat er zwar inhaltlich durchaus recht, aber die Wortwahl scheint kaum akzeptabel und macht den Autor damit auch gleichzeitig unglaubwürdig:
"Dabei muss scharf zwischen Tatsachen und Propagandaphrasen (Globalisierungsdruckgeschwätz) unterschieden werden."
Eine ausführliche Diskussion des FAZ.NET Beitrags findet man z.B. im Blog Wissenschaftsurheberrecht im Beitrag "Open Access 'unsittlich und verwerflich'?" oder im Blog PHILOBAR.

Eine indirekte Replik auf den Beitrag von
Reuß erschien an gleicher Stelle am 18. Feb. 2009 von Gudrun Gersmann: "Wer hat Angst vor Open Access?" Die Autorin ist Direktorin des Deutschen Historischen Instituts in Paris und Vorsitzende des Unterausschusses „Elektronische Publikationen“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

"Statt auf Polemik mit Gegenpolemik zu antworten, sei hier zu einer kurzen und nüchternen Bestandsaufnahme eingeladen. Was bedeutet Open Access in der Praxis?"
Gersmann berichtet also über die Open Access Praxis des im Jahre 1958 gegründeten Deutschen Historischen Institut in Paris. Sie zeigt die konkrete Praxis des Umgangs mit Open Access in einer konkreten geisteswissenschaftlichen Institution auf und macht deutlich, warum Open Acess in diesem Kontext sinnvoll und richtig ist. Ihre Aussagen werden in vier zentralen Beobachtungen zusammengefasst.
"Erstens ist die Nachfrage der Wissenschaftler selbst nach Open Access inzwischen groß und drängend. [...] Open Access Publizieren ist zweitens qualitätsbewusstes Publizieren. [...] Drittens: Als die von den Kritikern an die Wand gemalte Enteignung empfinden unsere Autoren den freien Zugang zu ihren Werken wahrlich nicht. [...] Zu guter Letzt begreifen wir die Open-Access-Politik unseres Instituts als einen wichtigen Beitrag zur Internationalisierung und Demokratisierung der Geisteswissenschaften."
Am Ende kommt die Autorin zum Schluss:

"Mir scheint, Open Access bedeutet keine Gefahr für das Abendland, im Gegenteil."
Es bleibt natürlich dem Leser überlassen, welchen der beiden Beiträge er als hilfreich für die eigene Arbeit bewertet.


4 Kommentare:

hdzimmermann hat gesagt…

Einen weiteren Diskussionsbeitrag zum FAZ Artikel von Reuss gibts hier: Open Access "unsittlich und verwerflich"?

hdzimmermann hat gesagt…

Und auch noch der Beitrag von Rudolf Walter in der TAZ vom 20.3.2009: Open Enteignung

hdzimmermann hat gesagt…

Und hier die Replik auf den TAZ Artikel vom 20.3.2009 bei Archivalia: Blütenlese: Kritik gegen erbärmlichen taz-Artikel gegen Open Access

hdzimmermann hat gesagt…

Bei perlentaucher.de beschäftigt sich Matthias Spielkamp in einem ausführlichen Beitrag mit der aktuellen OA Diskussion:
"Open Excess: Der Heidelberger Appell"